Unser Sängerfest

Trüb und bleigrau begann der 27. Juni; die Sonne rang verzweifelt um die Erlösung von drohenden Wassermassen; sie kämpfte mit wechselndem Glück. Um ½ 9 versammelten sich die Sänger im Vereinslokal, um die zu ½ 10 Uhr eintreffenden auswärtigen Vereine abzuholen. Munter erschollen lustige Weisen der Bührener-Musikkapelle und kündeten allen, daß nunmehr ein Festtag sei.

Am Gasthof Schneiderkrug angelangt, wurde den kommenden Bundesbrüdern und der Musik ein schneidig gespielter Marsch entboten und ausgestiegen, erscholl ihnen vom Bührener Gesangverein ein kräftiges „Grüß Gott mit hellem Klang! Heil deutschem Wort und Sang!“ entgegen. Nun gab es ein freudiges Begrüßen und Händedrücken. Ein leiser Regen folgte nun und die Scharen fanden in den Schneiderkrüger Wirtschaften Gelegenheit, ihre leiblichen Wünsche in Ordnung zu bringen. Die Oldenburger Kapelle spielte einen alten bekannten Soldatenmarsch und manches Herz schlug wärmer und rascher ob der exakten trautgewohnten Weise aus einer entschwundenen Zeit.

Gegen 10 ¼ setzte sich der Abmarsch in Bewegung. Voran der Vorstand unseres Gesangvereins, dann die Regimentsmusik und die Brüdervereine, vor dem Bührener Gesangverein die Bührer Musikkapelle, dann das Gespann des Zellers Dierkhüse, Husum, mit dem Bundesvorstande und das Fuchsgespann des Ehrenmitglieds Pächters Klemens Ostendorf, Bühren; mit kriegsinvaliden Sangesbrüdern. Unter munteren Weisen langten wir beim Frielingschen Vereinslokale an. Dort, im Halbkreis gruppiert, begrüßt unser Liedervater Freunde und Gäste herzlichst und schloß mit einem begeistert aufgenommenen Hoch auf das deutsche Lied und den Sängerbund Heimattreu, der sich die Pflege eben jenes deutschen Liedes zur Pflicht gemacht hat. Im Frielingschen Garten vereinte die Regimentskapelle in einer musikalischen Morgenfeier die Sänger und Gäste. In den Pausen wurden Rosetten und Schleifen verteilt und Stimmenbänder verkauft. Neue Vereine und Gäste kommen, der Garten füllt sich. Zu rasch verfliegt die Stunde und um ½ 12 ist Probe der Chorlieder vor der von 4 wehenden Fahnen flankierten Freitreppe des Bührer Pfarrkirchleins. Ein schönes Bild! Unten an die 200 Sänger und die Musik, auf der Freitreppe der weißgelockte Bundesdirigent umgeben vom Vorstand und den Dirigenten der einzelnen Bundesvereine. Leise intoniert die Kapelle und wuchtig fällt der Männerchor ein. Auf ihr Brüder laßt uns wollen. Es klappt gut. Kurze Pause!

In der Sängerbrust arbeitet es; ideales Wollen und Streben regen sich, und begeistert folgt das zweite Bundeslied „Es braust ein Ruf wie Donnerhall“. Nach vorzüglichem Gelingen tritt die Musik zurück. Von Stimmen zu Stimmen gibt man den Ton für das folgende Lied, das hieß: „Ach du klarblauer Himmel“, und das so wenig zu den regenschwarzen Wolken paßt. Doch Sängerfreude zwingt auch diese Weise. Weniger gut gelingt das letzte: „Zum schönsten Wiesengrunde“. Die Probe muß mehrfach wiederholt werden. Die innige zarte Weise eignet sich anscheinend nicht gut zum großen Chor. Geordnet folgt dann der Abmarsch zum Festplatz zum Mittagsmahl. Da hat sich der Festwirt als „auf der Höhe stehend“ gezeigt. Für 20000 M lieferte er ein Essen, des allen Lobes voll war: reichlich und vorzüglich schmeckend bei aufmerksamer Bedienung. Jeder, ein jeder, fand nur Worte des Lobes auf „Muttern Grave“. Man griff herzhaft zu, aber der Wirt blieb auf der ganzen Linie Sieger, das war kein Knurren und Zerren um einen Knochen, kein Gailen um eine bunte Kartoffel; nein, satt Suppe, fett und mit Eierstich, fast kalten Kartoffelsalat mit Rindfleisch, satt Klumpen von Schweinebraten mit warmen Kartoffeln und einer pikanten Fettsauce aus Kummen. Wohl war es alles äußerlich deftig, aber innerlich kräftig. Dazu ein Glaserl Wein, Jung, was war das fein. Feinste Konzertmusik würzte beides.

Mit einer Verspätung von einer halben Stunde begann sodann der Festzug. Er bot einen imposanten Anblick. Voraus ritten in Gala drei Reiter auf egalen schwarzen Rappen, der mittlere trug die Oldenburger Länderfahne. Dann folgten 3 Herren (Liedervater, Schriftführer und Bücherwart) unseres Vereins, der im Gehrockanzug, mit weißer Binde und Zylinder antrat, die Regimentskapelle und darauf die Vereine in Reihenfolge des Programms. Auch die Gastvereine, die teils während der Morgenfeier, teils während des Festessens eintrafen und begrüßt waren, machten den Festzug mit. Die Bührer Musikkapelle marschierte vor unserem Verein, dann folgten 3 Festwagen, die beiden obengenannten und das Gespann des Zellers Josef Meyer, mit dem Bundesvorstand und invaliden Sängerbrüdern. Die muntere Schar marschierte bei steter Musik und mit flatternden Fahnen bei leicht lachendem Himmel durch Bühren im Festgewand. Und daß der Festzug den Teilnehmenden gefiel, bewiesen ihre dauernd dargebrachten „Hipp, hipp, hurrah“! Der Gleichschritt der Sänger nach der gewohnten Musik machte auch die zahlreichen erschienenen Gäste und Freunde festesfroh. Das gute Gelingen des Festzuges war auch Dank an die Bührner für so viele Mühe und Arbeit. Auf dem Festplatze gruppierten die Festzugteilnehmer sich in Doppelreihe um die Bühne und hörte die herrlichen Worte des Bundesvorsitzenden Herrn Imsieke, Cloppenburg an, der mit seinem brausend aufgenommenen „Hoch“ aufs liebe deutsche Vaterland schloß. Entblößten Hauptes und begeisterten Herzen erklangen auf dem eichenumrauschten Festplatze aus vielhundert Kehlen von Sängern und Nichtsängern die drei Strophen des alten Liedes: „Deutschland, Deutschland über alles“! (Festrede: Siehe Schrift der Münsterländischen Tageszeitung vom 30. Juni.)

Der Radetzsche Grenadiermarsch Fredericus Rex, reich applaudiert, leitete sodann zu den Chorvorträgen über. Nach der Ouvertüre zur Operette „Leichte Kavallerie“ (v. Suppe) nahmen die Bundessänger Aufstellung zu den ersten Chorliedern. „Auf ihr Brüder, laßt uns wollen“! Es ist ein eigenes Gefühl, von rauschenden Eichen umgeben und dunklen Tannen beschattet, wenn es dann hinaus klingt: „Zu der mächtigen Eichen rauschen „mischte sich der Männergesang ... oder wenn es heißt beim Anblick so vieler Freunde und Gäste: „Sei gegrüßt du Fest der Lieder, ströme Freude und Segen aus“. Noch hält die Musik mit ihren Schlußakkorden die Stimmung fest; da jubelt der Chor in den jetzt lachenden Sonnenschein hinein: „Auf, du klarblauer Himmel“.

An der Dirigentenbühne steigen dann die Namen der nun folgenden Chöre auf, als erster: Bunnen: „Wir lauschen der Erschienenen"! Nach diesen folgen von Beifall begleitet die Chöre Emstek, Garrel und Cloppenburg (Liederkranz). Als das Orchester sich anschickt zum Steuermannsliede und Matrosenchor aus dem Wagnerschen „Fliegenden Holländer“ und zum Straußschen Walzer: „Wiener Blut“, setzte ein Platzregen ein. Beide Konzertstücke wurden im Festzelte hervorragend gegeben. Nachdem Gott ein Einsehen hatte, steigt das Bundeslied: „lm schönsten Wiesengrunde“. Es klappt besser als am Vormittage bei der Chorprobe. Als unter Musikbegleitung das Lied vom deutschen Rhein erklingt, stehen manche Zuhörer entblößten Hauptes. Dann folgen die Vereine in dieser Reihe: Langförden, Lindern, Löningen (Eintracht), Bühren, dann die gemischten Chöre Cappeln und Vestrup. Mit dem Orchesterpotpourrie deutscher Volkslieder von Kohlmann schloß das Vortragsprogramm gegen 6 Uhr.

Aus dem Tanzzelte erschallten frohe Tanzweisen, die Paare wirbeln im Tanz. Ein Glück, daß wir den 2. Tanzboden nachholten, gerade der Tanz im Freien fand Anziehung. Nach einigen Tänzen gibt die Musik das Zeichen zur Polonaise. Ein langer Zug bewegt sich vom Festplatz zum nahegelegenen Holze, durchquert es und endet dann im üblichen Schlußtanz. Während der Polonaise werden Tanzbänder (a 8000 M) verkauft, doch wird dies Geschäft von den Tanzordnern während des ganzen Abends fortgesetzt. Tanzgeld und Platzgeld halten sich ungefähr die Waage. Im Festzelte herrscht fröhliches Leben. Gegen 7 ¼ Uhr treten die auswärtigen Vereine zum gemeinsamen Abmarsch an. Die Bührer Musikkapelle begleitet sie in liebenswürdiger Weise zur Bahn. Für den Bundesvorsitzenden und Invaliden ist Wagengelegenheit. Immer noch neue Scharen, Tänzer und Tänzerinnen, kommen. Erst gegen 9 ½ wurde die Kasse geschlossen; was noch kommt, hat freien Zutritt. Nun brennen die Lichter, das Leben und Treiben nimmt immer noch zu. Es wird dunkel und dunkler, der Mor-gen steigt herauf: Immer schrillt noch die Klarinette und brummt der Bass, immer noch hüpfen flinke Füße, bis die aufsteigende Sonne die frohen Sänger an den neuen Tag erinnert. Die Musik, für die noch Freiquartiere beschafft waren, verzichtet. Sie erfrischt sich in Bühren, marschiert noch mal wieder zum Festplatze und nimmt dann Abschied. Das Sängerfest ist aus und vorbei, doch sind im Verein Sänger, die es glatt überdauert haben. Es ist in voller Harmonie verlaufen; zweimal kamen Streitfälle zum Entstehen. Sofort sprangen Vereinsmitglieder ein und schlichteten den Streit. Auch finanziell brachte das Fest allen vollen Erfolg. Alle Budenbesitzer waren zufrieden; viele von ihnen lieferten dem Vereine gerne eine Extragabe. Wie der festgebende Verein mit seiner Kasse abschnitt, konnte man noch nicht bestimmt sagen. Doch war Grund vorhanden zur Annahme, daß auch er auf seine Kosten kam.